Wie familiengerecht ist Deutschlands Wissenschaftssystem?

gemeinsam mit Veronika Lipphardt und Giesela Rühl, unter Mitarbeit von Karoline Seifert
Eine Veröffentlichung der Jungen Akademie, Berlin 2016

 
 
Die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie gehört zu den Themen, die junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – und deshalb auch uns als Mitglieder der Jungen Akademie (JA) – in besonderer Weise beschäftigen. Wer die öffentlich geführten Diskussionen aufmerksam verfolgt, kann allerdings zwei Dinge beobachten:

Erstens, der Diskurs über die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie ist im Wesentlichen negativ geprägt. In einschlägigen Publikationen wird regelmäßig nur über die Probleme berichtet, denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler begegnen, die eine Familie gründen wollen oder haben. Auf mögliche und bewährte Lösungen wird selten hingewiesen. Auch die Vorteile der Wissenschaft im Vergleich zu anderen Berufen werden kaum erwähnt.

Zweitens, obwohl einschlägige Publikationen auf einige zentrale Probleme hinweisen, werden längst nicht alle Probleme beleuchtet, die die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie im Alltag mit sich bringt. So wird oft darauf hingewiesen, dass die in der Wissenschaft übliche Befristung von Arbeitsverhältnissen junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Familiengründung abhält. Andere Probleme – zum Beispiel die im Wissenschaftsbetrieb in besonderer Weise geforderte Mobilität – scheinen demgegenüber bislang noch nicht in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit durchgedrungen zu sein.

Aus beiden Beobachtungen zusammen entstand im Kreis der JA der Wunsch, ein realistischeres Bild von den Herausforderungen zu zeichnen, die die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie mit sich bringt. Das richtige Instrument war schnell gefunden: eine interaktive Dialogplattform. Sie ging als Projekt der JA am 1. Juni 2015 unter www.blog.diejungeakademie.de online und bot bis zum 30. September 2015 die Möglichkeit, einschlägige Erfahrungsberichte, Meinungen, Empfehlungen und Wünsche zu posten, die wiederum von anderen Nutzerinnen und Nutzern kommentiert werden konnten.

Da die Vermutung nahe lag, dass sich junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nur ungern öffentlich mit vollem Namen und Affilierung zum Thema Vereinbarkeit äußern, bestand von Anfang an die Möglichkeit, Beiträge anonym zu verfassen. Ergänzt wurden die Beiträge und Kommentare durch Statements von Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, die wir gebeten hatten, ihre Eindrücke und Erfahrungen zu schildern, Ratschläge zu geben oder schlicht aus dem Nähkästchen zu plaudern.

Die Resonanz auf unsere Einladung, persönliche Erfahrungen und Ansichten mit anderen zu teilen und zu diskutieren, war überwältigend. In kürzester Zeit ging eine beeindruckende Zahl (s. Seite 8) von ausführlichen Beiträgen ein, die insgesamt zeigen, wie sehr das Thema junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bewegt und umtreibt.

Zudem machen sie deutlich, dass es um die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie aus Sicht der Betroffenen in Deutschland nicht zum Besten bestellt ist. Wie im Fazit (s. Seite 63 bis 65) ausgeführt wird, bevorzugten die Beitragenden überwiegend den anonymen Modus und schilderten unerwartet viele drastische Negativbeispiele.

Um die Erkenntnisse der interaktiven Dialogplattform auch offline einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, drucken wir in dieser Broschüre eine Auswahl der eingegangenen Beiträge – zum Teil in gekürzter Form – gemeinsam mit den eigens für den Blog eingeworbenen Statements und den eingegangenen Kommentaren ab. Daneben enthält die Broschüre das bereits erwähnte Fazit sowie eine Zusammenstellung von (wiederholt geäußerten) Wünschen und Reformvorschlägen (s. Seite 66 bis 67). Die ungekürzten Fassungen der Statements, Beiträge und Kommentare lassen sich unter www.blog.diejungeakademie.de nachlesen.

Viele Menschen haben zum Gelingen des Blogs und dieser Broschüre beigetragen. An erster Stelle zu nennen sind alle, die uns durch Statements, Beiträge und Kommentare unterstützt haben. Bei ihnen möchten wir uns herzlich bedanken. Darüber hinaus danken wir der Jungen Akademie. Sie hat durch ihre großzügige finanzielle Förderung die Einrichtung des Blogs und die Veröffentlichung dieser Broschüre erst möglich gemacht. Die Geschäftsstelle der Jungen Akademie, insbesondere Manuel Tröster, hat uns stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden und uns den Weg durch die oft verschlungenen Pfade der Bürokratie gewiesen.

Unser Dank gebührt zudem Anna Sohrauer und Karoline Seifert. Anna Sohrauer hat als Projektkoordinatorin die administrativen Aufgaben gemeistert und die Einrichtung und Bedienung des Blogs ermöglicht. Karoline Seifert hat als Redakteurin den Blog betreut und den Dialog moderiert. Durch ihre fachliche Expertise und die Konzeption dieser Veröffentlichung hat sie das Projekt ganz wesentlich bereichert. Zu Dank verpflichtet sind wir darüber hinaus der Agentur 3pc, die das Design für den Blog entworfen und die technischen Voraussetzungen für den interaktiven Dialog geschaffen hat.

Danken möchten wir schließlich auch der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Prof. Dr. Johanna Wanka. Sie hat das Projekt von Anfang an unterstützt und sowohl den Blog als auch diese Broschüre durch ein Grußwort bereichert.

Veronika Lipphardt
Giesela Rühl
Emanuel V. Towfigh
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Pressemitteilung vom 13. Mai 2016:

Wissenschaft und Familie sind vereinbar – teilweise

Die Junge Akademie präsentiert die Ergebnisse einer Online-Diskussion zur Frage: Wie familiengerecht ist Deutschlands Wissenschaftssystem?

Mit Hilfe der interaktiven Dialog-Plattform „Wissenschaft und Familie“ wollte die Junge Akademie im Sommer 2015 erfahren, wie es um die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie in Deutschland bestellt ist. Von Juni bis September 2015 waren deshalb Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Interessierte aufgerufen, sich mit einem Beitrag an der Diskussion zu beteiligen. Die InitiatorInnen präsentieren nun in einer Broschüre ausgewählte Blogbeiträge und werten die Ergebnisse aus: Wie steht es aus Sicht der Betroffenen um die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie zwischen Promotion und Professur? Welche Veränderungen könnten – im Interesse eines leistungsstarken und familienfreundlichen Wissenschaftssystems aus Sicht der Betroffenen – zur Verbesserung der Situation beitragen? Zahlreiche Erfahrungsberichte, Meinungen und Wünsche, zum Großteil anonym eingestellt, beschreiben, wie es gehen kann, woran es häufig scheitert und was sich ändern müsste.

Fazit: Zahlreiche Wünsche bleiben offen

Das Fazit der HerausgeberInnen fällt ernüchternd aus. „Trotz guter Ansätze ist Deutschland offensichtlich vom Ideal noch weit entfernt“, resümiert Veronika Lipphardt. Die abgedruckten Beiträge könnten zwar nicht den Anspruch erheben, repräsentativ zu sein. Allerdings sei auffällig, dass neben Erfahrungsberichten überwiegend Wünsche und Anregungen für Verbesserungen gepostet worden seien. Neben den einzelnen Beiträgen präsentieren die HerausgeberInnen daher auch eine Zusammenstellung von Reformvorschlägen. Giesela Rühl unterstreicht: „Mit dem Blog und mit dieser Publikation wollen wir einen breiten Diskurs über die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie anstoßen und das Bewusstsein für Probleme, aber auch für mögliche Lösungen erhöhen.“

Die Broschüre mit einem Vorwort von Bundesbildungsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka kann unter www.blog.diejungeakademie.de kostenlos heruntergeladen werden. Dort sind auch die vollständigen Fassungen aller Statements, Beiträge und Kommentare zugänglich.

Druckexemplare können über die Geschäftsstelle der Jungen Akademie bestellt werden: office@diejungeakademie.de

Veronika Lipphardt, Giesela Rühl, Karoline Seifert und Emanuel V. Towfigh: Wie familiengerecht ist Deutschland Wissenschaftssystem? © Die Junge Akademie, Berlin 2016